Vertical Farming als moderne Anbaumethode für eine Vielzahl an Lebensmitteln bietet eine vielversprechende Lösung für einige der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit – allen voran die Sicherstellung der Ernährung, der sparsame Umgang mit Ressourcen und der Kampf gegen den Klimawandel. Angesichts wachsender Population, begrenzter landwirtschaftlicher Flächen, steigender Ressourcenknappheit und Umweltkatastrophen haben vertikale Farmen das Potenzial, unsere Art und Weise wie wir unsere Lebensmittel erzeugen nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Doch obwohl Vertical Farming zahlreiche Vorteile mit sich bringt, steht es auch vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Insbesondere die Investitions- und Betriebskosten stellen zum aktuellen Zeitpunkt eine Hürde für potenzielle Investoren und Betreiber dar.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf den aktuellen Stand der vertikalen Landwirtschaft in Europa, beleuchten die damit verbundenen Herausforderungen und diskutieren, wie Unternehmen einen strategischen Kompromiss zwischen Prozesskontrolle und Wirtschaftlichkeit finden können, um das volle Potenzial von Vertical Farming auszuschöpfen.
Inhaltsverzeichnis:
- Vertical Farming: Definition und Status Quo in Europa
- Die größte Herausforderung der vertikalen Landwirtschaft
- Design-to-Cost: Wirtschaftlichkeit von Beginn an
- Prozesskontrolle in Vertical Farms: Wie viel Kontrolle ist wirklich notwendig?
- Weitere Effizienzfaktoren: Der Einfluss von Standort und Ressourcen
- Fazit: Der strategische Kompromiss zwischen Kontrolle und Wirtschaftlichkeit
Vertical Farming: Definition und Status Quo in Europa
Was ist Vertical Farming?
Vertical Farming, oder auch vertikale Landwirtschaft, beschreibt eine moderne und innovative landwirtschaftliche Methode zur Nahrungsmittelproduktion, die in kontrollierten Innenräumen stattfindet. In vertikalen Farmen gedeihen Pflanzen in übereinander gestapelten Schichten, wobei Umweltbedingungen wie Temperatur, Licht und CO₂-Konzentration gezielt gesteuert werden, um maximalen Ertrag bei bester Qualität zu erzielen. Diese geschlossenen Vertical Farming Systeme werden auch Controlled Environment Agriculture (CEA) genannt.
Zusätzlich zur intensiven Kontrolle aller Umweltfaktoren, liegt die Besonderheit ebenfalls darin, dass die Wurzeln der Pflanzen nicht in regulärer Erde sondern – je nach Anbaumethode – zum Beispiel in einer speziellen Nährstofflösung liegen, um Qualität und Ertrag weiter zu erhöhen. Es wird unterschieden zwischen den Anbaumethoden Aeroponik, Aquaponik und Hydrokultur – mehr Informationen dazu gibt es hier.
All das führt dazu, dass Nahrungsmittel in vertikalen Farmen unabhängig von Wetterbedingungen und Jahreszeiten mit bestmöglicher Qualität angebaut werden können. Gleichzeitig werden Ressourcen wie Wasser und Fläche effektiver genutzt als in der traditionellen Landwirtschaft.
Vertikale Landwirtschaft als Ergänzung traditioneller Anbaumethoden
Die Technologie des Vertical Farmings bringt viele Vorteile mit sich und hat großes Potenzial, Lösungen für die heutigen Herausforderungen, wie Wetterabhängigkeit oder Wasserknappheit zu schaffen, mit denen die traditionelle Landwirtschaft immer stärker zu kämpfen hat. Vertikale Landwirtschaft wird konventionelle Anbaumethoden in naher Zukunft wahrscheinlich nicht ablösen, bietet aber eine ideale Ergänzung, um die Nahrungsmittelversorgung in Zukunft – auch im Hinblick auf die steigende Bevölkerung auf der Welt – nachhaltig gewährleisten zu können.
Immer mehr Unternehmen widmen sich daher der vertikalen Landwirtschaft und es wird seit Jahren intensiv an der Weiterentwicklung dieser landwirtschaftlichen Innovation geforscht. Heute sind wir noch nicht so weit, dass sich Verbraucher im Supermarkt ihrer Wahl für Produkte aus einer vertikalen Farm entscheiden können – doch kommen wir dem kontinuierlich näher.
Der Status Quo: Vertical Farming in Europa
Schätzungen von Market Data Forecast zufolge wird der Markt für Vertical Farming in Europa in den nächsten fünf Jahren jährlich um durchschnittliche 22 Prozent anwachsen. Bis zum Jahr 2029 wird der Markt bereits einen Wert von circa 5,11 Milliarden US-Dollar erreichen.
Deutschland – das Zuhause des Vertical Farming Startups vGreens – nimmt im Europavergleich eine besonders wichtige Stellung ein. Berechnung von Data Bridge Market Research zufolge wird Deutschland gemeinsam mit Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Belgien bis zum Jahr 2030 eine führende Rolle in der Weiterentwicklung des Vertical Farming Marktes in Europa spielen. Was vor allem durch die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln und die Notwendigkeit zur Unabhängigkeit von Importen getrieben ist. Insbesondere europäische Großstädte wie Berlin, Paris oder Amsterdam bieten optimale Bedingungen für Vertical Farming Projekte, da dort der Zugang zu Technologie, Fördermitteln und einer umweltbewussten Zielgruppe gegeben ist.
Die größte Herausforderung der vertikalen Landwirtschaft
Trotz der vielen Vorteile und des „Booms“ in Europa bringt Vertical Farming aus einer wirtschaftlichen Perspektive aber auch Herausforderungen mit sich, die es zu lösen gilt – allen voran sind dabei die hohen Kosten zu nennen.
Grundsätzlich gibt es drei Hauptkostentreiber, die in Vertical Farming Projekten für Herausforderungen sorgen:
- Investitionskosten,
- Energiekosten und
- Personalkosten.
Wie teuer Vertical Farming tatsächlich ist, variiert jedoch nach Standort und Größe der vertikalen Farm.
Investitionskosten
Die erste große Herausforderung einer Vertical Farm begegnet Unternehmen bereits vor dem eigentlichen Start des Projekts. Denn die Investitionskosten, auch CapEx (Capital Expenditures) genannt, sind für vertikale Farmen enorm hoch.
Je nach Größe der Farm kann die anfängliche Investition in den Bau der Farm bereits im hohen zweistelligen Millionenbereich liegen – eine Summe, die nur von etablierten Marktakteuren getätigt werden kann.
Energiekosten
Doch auch wenn die Farm gebaut ist, sind die Betriebskosten, die OpEx (Operational Expenditures), für vertikale Farmen vergleichsweise hoch. Einen besonders großen Einfluss haben hierbei die oben genannten Energiekosten.
Insbesondere bei vollkommen geschlossenen CEA-Systemen liegen die aufzuwendenden Energiekosten weit über denen, die für dieselbe Ertragsmenge in der traditionellen Landwirtschaft aufgewendet werden müssen. Die künstliche Beleuchtung als Ersatz für das Sonnenlicht, die umfangreiche Klimatisierung der Anlage, um Temperatur, Luftfeuchtigkeit und den CO₂-Gehalt jederzeit optimal zu halten oder auch die Automatisierungssysteme und künstliche Intelligenz für ideale Bewässerungs- und Umgebungsindikatoren kosten viel Energie.
Kosten, welche Vorteilen wie der überdurchschnittlichen Qualität und den hohen Erträge durch die Farm, gegenüber stehen.
Personalkosten
Im Vergleich zu traditionellen Anbaumethoden, werden in der vertikalen Landwirtschaft, je nach Farm, weniger Arbeitskräfte benötigt, welche sich vor allem um die Ernte und/oder Verarbeitung der Lebensmittel kümmern. Dies vorallem weil der Einsatz moderner Technologien in vertikalen Farmen den Bedarf an (Saison-)Arbeitskräften erheblich verringert, da mit Ernterobotern gearbeitet werden kann. Es sollte zudem betont werden, dass die Zahl der Saisonarbeiter, die aus dem Europäischen Ausland nach Deutschalnd kommt, seit einigen Jahre stetig abnimmt, was zu einem Engpass in der Landwirtschaft und mitunter zu Ertragseinbussen führt.
Im Gegensatz dazu erfordert eine vertikale Farm jedoch viele hochqualifizierte Fachkräfte, die für den Betrieb und die Wartung der Technologie verantwortlich sind – Positionen, die gewisses Know-How benötigten und oftmals deutlich höher vergütet werden als die von Saisonarbeitern in der traditionellen Landwirtschaft. Das ist insbesondere in Europa ein zentrales Problem, da Arbeitskräfte hier meist besser entlohnt werden als beispielsweise in Asien.
Diese hohen Kosten stellen eine erhebliche Herausforderung dar und wirken als Bremse für die weitere Verbreitung von vertikalen Farmen. Um das Potenzial dieser innovativen Anbaumethode voll auszuschöpfen, müssen demnach Lösungen gefunden werden, um die Kosten zu senken.
Design-to-Cost: Wirtschaftlichkeit von Beginn an
Ein entscheidender Aspekt, der die Wirtschaftlichkeit einer Farm beeinflusst, ist die grundsätzliche Kostengestaltung. Ein vielversprechender Ansatz zur nachhaltigen Kostenoptimierung in der vertikalen Landwirtschaft ist die Methode „Design-to-Cost“.
Dieses Prinzip zielt darauf ab, die gesamte Planung und Entwicklung der Vertical Farms von Beginn an unter dem klaren Fokus auf wirtschaftliche Effizienz zu gestalten, um die Gewinn- und Kostenziele des Unternehmens zu sichern. Dabei wird die Gestaltung nicht primär von der Idee maximaler technischer Kontrolle oder Perfektion geleitet, sondern vielmehr darauf ausgerichtet, nur die Funktionen zu integrieren, die für den Betrieb der Farm tatsächlich erforderlich sind.
Im Rahmen von Design-to-Cost werden also bewusst nur diejenigen Technologien und Systeme ausgewählt, die den größtmöglichen Nutzen bei geringstmöglichen Kosten bieten, ohne die Produktqualität signifikant zu beeinträchtigen. Dies führt zu einer Reduktion der Investitionskosten bereits in der Planungsphase und einer Einsparung bei den Betriebskosten einer Vertical Farm.
Prozesskontrolle in Vertical Farms: Wie viel Kontrolle ist wirklich notwendig?
Im Zuge der beschriebenen Design-to-Cost Methode müssen Investoren und Betreiber auch die Prozesskontrolle in ihre Überlegungen einbeziehen. Denn wie diese gestaltet ist, wirkt sich signifikant auf die Investitions- und insbesondere die Betriebskosten aus.
Was ist die Prozesskontrolle?
Die Prozesskontrolle beschreibt die strikte Überwachung und Regulierung der diversen Umweltbedingungen, insbesondere in vollkommen geschlossenen Vertical Farms. Dazu zählen Faktoren wie Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO₂-Gehalt.
Die Kosten der Prozesskontrolle
Die umfassende Prozesskontrolle einer Vertical Farm ermöglicht es, das Wachstum der Pflanzen zu optimieren und konstant hohe Erträge mit überdurchschnittlicher Qualität zu erzielen.
Doch diese präzise Steuerung ist – wie zuvor bereits erwähnt – kostspielig. Die Notwendigkeit, sämtliche Parameter rund um die Uhr zu überwachen, erfordert hochentwickelte Systeme, die sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb, unter anderem durch die Energie- und Personalkosten, teuer sind.
Wenn Vertical Farming in der Zukunft wirtschaftlich betrieben werden soll, stellt sich die Frage, wie viel Prozesskontrolle wirklich notwendig ist – und ob diese nicht zugunsten der Kosten und der Wirtschaftlichkeit der Farmen reduziert werden kann. Das kann natürlich nur dann passieren, wenn die Technologie in dem Maße weiterentwickelt und angewendet wird, dass die Unabhängigkeit von äußeren Faktoren und die hohe Qualität der Nahrungsmittel erhalten bleibt.
Der Greenhouse-Ansatz als alternatives Hybridmodell
Um für dieses Problem eine Lösung zu schaffen, forschen wir bei vGreens gemeinsam mit technischen Partnern an einer hybriden Erweiterung zu den vollkommen geschlossenen Vertical Farming Systemen.
Beim Greenhouse-Ansatz handelt es sich noch immer um ein Konzept der vertikalen Landwirtschaft, die in Innenräumen stattfindet und in denen die Pflanzen in gestapelten Schichten wachsen. Der Unterschied zu den CEA-Systemen besteht jedoch darin, dass es sich bei dem Gebäude nicht mehr um einen vollkommen isolierten Raum handelt, sondern um ein großes Gewächshaus – es kann also von außen Sonnenlicht und damit auch Wärme in die vertikale Farm strömen.
Durch die Integration der Sonnenenergie in den Betrieb der vertikalen Farm als natürlicher Umweltfaktor lassen sich die laufenden Kosten erheblich senken. Zwar bleibt die Technologie zur Steuerung der Parameter weiterhin unerlässlich, um die Kontrolle auch an weniger sonnigen Tagen zu gewährleisten. Doch indem die Sonnenenergie sowohl direkt als auch durch Solarpaneele genutzt wird, wann immer sie verfügbar ist, können deutliche Einsparungen im Vergleich zu vollständig geschlossenen Systemen erzielt werden.
Dieser Ansatz ermöglicht es, auf technologische Kontrolle zu verzichten, was die Betriebskosten reduziert, ohne dabei Einbußen bei der Produktqualität hinnehmen zu müssen. Er vereint die Vorteile eines kontrollierten Anbaus mit einer kostengünstigen Struktur des Vertical Farmings.
vGreens testet diese Technologie derzeit mit lokalen Partnern in Südafrika, um ihre Effizienz unter realen Bedingungen zu optimieren. Doch auch für Europa, insbesondere für südliche Länder des Kontinents, birgt dieser Ansatz enormes Potenzial, um die vertikale Landwirtschaft wirtschaftlicher zu gestalten.
Letztlich müssen Unternehmen an dieser Stelle zwischen Kosteneffizienz und technologischer Kontrolle abwägen. Das Hybrid-Modell bietet eine praktikable Lösung, die ein Gleichgewicht zwischen Kostenoptimierung und Produktqualität herstellt. Letztlich hängt die Entscheidung, wie viel Kontrolle ein Vertical Farming Projekt benötigt, aber vom Standort der Farm sowie den Zielen des Betreibers ab.
Weitere Effizienzfaktoren: Der Einfluss von Standort und Ressourcen
Insgesamt ist die Einbeziehung der Standortfaktoren ein zentraler Hebel für die Kosteneffizienz einer Vertical Farm, da sie maßgeblich die Energie- und Ressourcennutzung beeinflusst. Wie bereits aufgezeigt, kann die Integration erneuerbarer Energien wie Solar- oder auch Windkraft die Betriebskosten deutlich senken.
Darüber hinaus eröffnet die Nähe zu Industriebetrieben oder anderen Einrichtungen zusätzliche Möglichkeiten, Ressourcen im Sinne der Circular Economy effizient zu nutzen. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung überschüssiger Wärme aus nahegelegenen Fabriken, die zur Beheizung der Farm eingesetzt werden kann.
Solche Synergien zwischen Standortwahl und Ressourcennutzung tragen sowohl zur Stärkung der Umweltfreundlichkeit als auch zur Kostensenkung bei, indem sie die laufenden Betriebsausgaben minimieren.
Parallel dazu wird auch der technologische Fortschritt zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Technologien, die heute noch teuer sind, könnten in den kommenden Jahren erschwinglicher werden und so die Gesamtkosten in Vertical Farmen senken. Da sich Betreiber von Vertical Farmen jedoch nicht allein auf diese erhoffte Kostenentwicklung verlassen können, ist es entscheidend, alternative Ansätze zur Kostensenkung parallel voranzutreiben.
Nur durch eine Kombination aus strategischer Standortwahl, innovativen Ressourcennutzungskonzepten und technologischem Fortschritt kann langfristig eine wirtschaftliche vertikale Produktion sichergestellt werden.
Fazit: Der strategische Kompromiss zwischen Kontrolle und Wirtschaftlichkeit
Vertical Farming bietet eine vielversprechende Antwort auf die aktuellen Herausforderungen der traditionellen Landwirtschaft und kann die konventionelle Nahrungsmittelproduktion auf innovative Weise ergänzen. Die Technologie überzeugt insbesondere durch ihre Unabhängigkeit von Wetterbedingungen und ihren effizienten Umgang mit Ressourcen.
Auch wenn die wirtschaftliche Umsetzung heute noch Herausforderungen wie hohe Investitions- und Betriebskosten mit sich bringt, gibt es zahlreiche Ansätze, um diese Hürden zu überwinden. Ein zukunftsweisender Weg ist die Entwicklung von Kostenstrukturen nach dem Design-to-Cost-Prinzip, das von Beginn an die Wirtschaftlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Durch die Konzentration auf essentielle Funktionen lassen sich sowohl Investitions- als auch Betriebskosten nachhaltig senken.
Letztlich müssen Unternehmen im Vertical Farming einen strategischen Kompromiss zwischen Kosten, Kontrolle und Qualität finden. Der richtige Ansatz hängt dabei nicht nur von der verwendeten Technologie ab, sondern auch von der spezifischen Markt- und Standortsituation. Ansätze wie unser Hybridmodell zeigen deutlich, dass vertikale Farmen flexibel an unterschiedliche Markt- und Standortbedingungen angepasst werden können – und dadurch durchaus wirtschaftlich betrieben werden können.
Die Zukunft von Vertical Farming ist vielversprechend, vorausgesetzt, Unternehmen setzen auf innovative Strategien und durchdachte Modelle. Bei vGreens verstehen wir diese Herausforderungen und arbeiten aktiv daran, durch kreative Lösungen und eine fundierte Herangehensweise die wirtschaftliche und ökologische Zukunft der vertikalen Landwirtschaft zu gestalten. So tragen wir dazu bei, Vertical Farming zu einem zentralen Bestandteil einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion zu machen.